Höhenmeter anvisieren, die man nicht weggeatmet bekommt, Horizonte erahnen, um sie dann in Buntfarben absichtlich zu verlieren, Wetterfahnen leuchten lassen, die kilometerweit entfernt über zerrupfte Böschungen ziehen. Der Schelm sitzt im Basislager und kennt den Weg zu dem, was abgebildet ist: bis dahin und nicht weiter, bis zu dem Punkt, wo man sich die Angelegenheiten  nur noch ausmalen möchte und die Sache meistert, indem man weiß, was nicht geht und man das Buch der 1000 Einwänden auswendig gelernt hat vor Einbruch der Dunkelheit. Bilder müssen keine Berge "machen", müssen die Meere nicht abklappern, kein Kilometergeld kassieren.

Wie viel Zeit braucht man, um Ziele nicht zu erreichen? Eine schöne Frage, die einem die Herbsttage im Atelier verzuckert. Auch kleine Bilder machen einen verrückt. Aber sie haben zumindest den Vorteil, mit ein paar Metern Abstand sofort in das "täuschend Echte" der Entfernungen zu wechseln. Sie machen es einem leichter, die Idylle zu denken, aber lassen es auf keinen Fall zu, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen und mit verzuckerten Träumereien eines in Umwegen gedachten Abbildens daherzukommen. Auch auf einigen Quadratzentimetern kann man der Welt auf die Sprünge helfen. Das ist schon Arbeit genug.

Kleine Bilder meinen immer das Ganze und zerreissen sich nicht die Mäuler über Details. Jeder Blick - sei er noch so beiläufig – meint „alles in allem“. Wer nörgelt, setzt alles auf eine Karte.

Unwichtig und wichtig ist das gleiche. Bilder sind keine Kleinigkeiten, weil man zu wissen glaubt, woran man mit ihnen ist bzw. diese es umso besser wissen: woran sie bei einem selbst sind.

Die Malerei macht keinen Unterschied. Sie sagt immer: Nichts ist wichtiger als alles andere. Weil „alles andere“ immer schon in diesem Nichts aufgehoben ist.

Landschaftsbilder sind keine Kumpelschinken, die darauf warten, dass jemand ins Bild springt. Die Farbe geht vor, Typen können lange warten. Landschaft ist immer Ansicht, aber keine Ansichtssache - nur gut, dass einem da niemand dazwischenquatschen kann. Wer weg ist, braucht schonmal nicht aufs Bild. Wer noch in der Nähe ist, kann Kaffee machen, aber bitte sonst nichts und ohne Zucker.

Man kann die Natur nur so nehmen, wie man sich ihrer vergewissern kann. Die Farben sind da, die Flächen wie Meinungen geteilt, die Erde riecht, das Meer verströmt seinen Duft und die Berge machen sich im Helldunkel ihrer Anstiege breit.

Malerei weiß: Man kann den Wind nicht malen. Schon gar nicht, wenn man keine Bäume in die Szenerie stellt, die es über Jahre in Schräglagen geschoben hat. Man kann die Sonne nicht malen. Schon gar nicht, wenn sie einem als Gegenlicht gegenübersteht und das Weiß der Leinwand derart überstrahlt, dass nur noch Sonnencreme und Freibad hilft. Man kann das Meer nicht halten, das sich einem pausenlos entgegenschiebt. Die Natur ist ein Riese. Die Malerei auch. Gerne lässt man sich auf ihren Schultern tragen. Wie die Welt von dort oben aussieht, weiß nur, wer sich an die Arbeit macht.

Chris Werth
Juli 2015

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